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Die ganze Geschichte begann mit einem Schneesturm, der mich auf der Autobahn Richtung Berlin im Januar erwischte. Ich hatte im Archiv in Dresden gearbeitet und wollte am letzten Tag noch nach Lindenau fahren, um mir ein Bild zu machen von den Minckwitz'schen Grabstellen, die sich dort befinden sollten. Ich kehrte um und schrieb statt dessen an die ev. Pfarrgemeinde Lindenau und erkundigte mich nach den Einzelheiten, die mich interessierten.
Und ich bekam eine sehr liebenswürdige Antwort von einer offensichtlich noch sehr jungen Pfarrerin, die mich nicht nur zur Besichtigung von Kirche und Schloss Lindenau einlud, sondern gleichzeitig zur 500-Jahr-Feier der Heilands-Kirche.
Und so lernten wir uns kennen am 25.06. in Lindenau. Es war ein warmer, ein wenig schwüler Tag in diesem idyllischen Dorf, in dem die Zeit stille zu stehen schien. Ich meldete zunächst Frau Büscher, der Pfarrerin, meine Ankunft und hatte dann noch Zeit, mir Kirche und Schloss, die ich bisher nur aus einem – sehr gut gemachten – Prospekt kannte, etwas näher anzusehen.
Und ich war erstaunt, hier solche gut erhaltene architektonische Juwelen vorzufinden. Die Patronatskirche in ihrer heutigen Gestalt hat Loth Gotthard v. Minckwitz auf Drehna, Lindenau und Trettau, (1611 – 1678), von dessen interessantem Leben noch bei anderer Gelegenheit die Rede sein soll, vor mehr als 300 Jahren erbaut. Es ist ein schlichter Bau, wie er den Lausitzer Verhältnissen so kurz nach dem Dreißigjährigen Krieg entsprach, mit dezenter Ausmalung, zwei Emporen, einer Kanzel, drei prächtigen Messing-Kronleuchtern und Kirchenbänken, die wahren Prokrustes-Betten gleichen. Und als Besonderes: im Eingangsbereich ein großer gusseiserner Ofen, von dem ein Ofenrohr quer über den Eingang in 2,50 m Höhe führt und wohl auf dem Weg zum Kamin in einem Nebenraum mündet, in dem ich ein hölzernes Wappenschild derer v. Minckwitz fand. Er ist etwa 70 x 130 cm groß und ausbesserungsbedürftig, vor allem in Teilen der Schrift, die verblasst Zeugnis ablegt von den wirren Zeitläufen. Frau Büscher erklärte mir dazu, dass sie jetzt auf der Suche nach dem Degen seien, den Loth Gotthard einstens vom Dänenkönig als Geschenk bekommen hatte. Und dann enthält die Kirche ein prächtiges, für den kleinen Raum fast zu großes Epitaph des C.E.v.M. nebst zahlreichen Grabplatten und Grabmonumenten, die zu anderen Familienmitgliedern gehören.
Aber dann war es soweit. Eine Stimmung wie an Weihnachten verbreitete sich plötzlich, denn aus allen Himmelsrichtungen strömten die Besucher herbei, um an dem Festgottesdienst teilzunehmen, so dass die kleine Kirche schnell brechend voll war, zumal noch ein Chor und einige Flötistinnen Platz haben mussten. Die Frau Pfarrerin begrüßte zu Beginn die kirchlichen Teilnehmer an der Feier und begrüßte dann mich als Vertreter der Familie v. Minckwitz, die fast zwei Jahrhunderte im Besitz der Herrschaft war. Von der Familie Lynar, die Gut und Schloss seit 1891 besaßen, war niemand gekommen. Der Graf zu Lynar hatte kurzfristig absagen müssen wegen anderweitiger Geschäfte, wie sie mit Bedauern erwähnte.
Den eigentlichen Gottesdienst hielten der Bischof Wullenweber aus Görlitz und der Pfarrer der Patengemeinde aus dem Oldenburgischen. Epistel und Predigttext stehen in Lukas 14 und befassen sich beziehungsreich mit den Kirchgängern. Nach dem Gottesdienst traf sich alles wieder im Pfarrgarten bei Kaffee und Kuchen, umrahmt von Flötenkonzert und Chorgesang. Hier übergab ich Frau Büscher das Gastgeschenk der Familie: eine geheftete und gesiegelte Kopie der Leichenpredigt für Loth Gotthard v. Minckwitz aus dem Jahre 1678 von dem Pfarrer zu Lindenau, M. Paulus Herpestus.
Ich lernte auch eine Frau Döring kennen, die Witwe des früheren Pfarrers von Lindenau, die eine große Verehrerin der Familie v. Minckwitz ist, da sie ein Porträt ihres Sohnes besitzt, das Ida v.M. gemalt hat.
Die Zeit reichte noch für eine kurze Besichtigung von Museum, in dem u.a. Münzfunde aus dem Turmknauf, die offensichtlich aus der Erbauungszeit stammten, und eine Wetterfahne mit den ausgestanzten Initialen LGvM und Jahreszahl ausgestellt waren, und Schloss mit dem sehr schönen Park. Das Schloss ist jetzt Kinderheim und gehört einer Schweizer Gesellschaft, die über die endgültige Verwendung des Besitzes jedoch noch nicht entschieden hat.
Lindenau kennen einige von Euch – für die aber, die noch nicht dort waren: eine lohnende Reise auf den Spuren der Vergangenheit.
Günter H. Wiege, Wiesbaden – 01. August 1995
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