Schmankerl 7
Schlacht bei Borodino bzw. an der Moskwa
(Januar 1996)
Die Osterländer Volkszeitung (OVZ), eine Beilage zur Leipziger Zeitung für den Altenburger Raum, hat am 07.11.2016 einen Artikel über Johannes v. Minckwitz veröffentlicht. Wir dürfen ihn mit freundlicher Genehmigung des Autors, Herrn Frank Bauer, dem wir an dieser Stelle ausdrücklich danken, hier ebenfalls einstellen.
Die Schlacht bei Borodino bzw. an der Moskwa
Bei dieser Geschichte erscheint das Wort „Schmankerl“ etwas deplaziert, nimmt man es aber generell als Überschrift für alles Anekdotische – dann sollte es Bestand haben – sehen wir es also bitte nicht so eng.
Die Rede soll heute sein von der Schlacht bei Borodino bzw. an der Moskwa, etwa 120 – 150 km westlich von Moskau, an der der Premier-Lieutenant Johannes v. Minckwitz aus der Linie Falkenhain, geb. 1787 – gest. 1857 zu Dresden, teilnahm, der spätere Generalleutnant und zeitweilige Generaladjutant des sächsischen Königs, einem sehr verdienstvollen Mann, wie seine Biographie zeigt. Er war Bevollmächtigter beim Bundestag in Frankfurt (1817), Gesandter am preußischen Hof und Staatsminister in Dresden. Sehr konservativ eingestellt, nach dem Zeugnis seines Sohnes August, verließ er, hoch dekoriert, 1848 den Staatsdienst.
Im russischen Feldzug von 1812, von dem er, wie sein Sohn August schrieb, mit sehr erschütterter Gesundheit zurückkehrte, war der Premier-Lieutenant v. Minckwitz vom Regiment Zastrow-Kürassiere dem Generalleutnant v. Thielmann, dem Kommandeur der neu gebildeten Kavallerie-Brigade Thielmann, als Adjutant attachiert.
1806 hatte der Kurfürst von Sachsen mit Napoleon ein Bündnis geschlossen und trat dann dem bereits aus 36 deutschen Territorien bestehenden Rheinbund als König bei. Preußen und Österreich stellten aufgrund ihrer Bündnisverpflichtungen Militärkontingente, so dass Napoleon von Dresden mit einem Heer von mehr als 500.000 Mann gegen Russland, das sich seinem „Werben“ verschlossen hatte, aufbrechen konnte. Ein Drittel dieser großen Armee waren Deutsche! Der sächsische Anteil betrug rund 20.000 Mann. Dieses Kontingent hatte zusammen mit den polnischen und österreichischen Verbänden die Aufgabe, die rechte Flanke der Grande Armee, die über Wilna, Witebsk und Smolensk gegen Moskau vorrücken sollte, zu decken.
(Erläuterungen zu dem Bild: Zastrow-Kürassier 1812. Mit hohen, schweren Metallhelmen mit altrömischem Messingkamm und vornübergeneigter Raupe; schwerer Brustharnisch aus geschwärztem Eisen, gelb eingefasst; weißes Kollet m. gelbem Kragen und weißer Krageneinfassung; gelbe metallene Schuppenepauletten; weißlederne Hosen m. hohen Stiefeln; ein langer Karabiner und zwei Pistolen. Jeder Offizier war verpflichtet im Kriege 3 Pferde zu halten und 1 Reitknecht zu besolden.)
Das Reiterregiment Garde du Corps, das Kürassierregiment von Zastrow sowie vier Schwadronen polnischer Kürassiere bildeten die Brigade Thielmann, von der nun die Rede sein soll, unter dem Oberkommando des Königs von Neapel, dem Marschall Murat, der am Morgen der Schlacht die Parade seiner Soldaten abnahm und dabei „wie ein Kunstreiter gekleidet war“.
„Er trug einen hellgrünen, vorn offenen Samtrock mit Gold gestickt, pfirsichblüthene ebenfalls reich gestickte Hosen, Stiefel von gelbem Maroquin, vom mit einer goldenen Troddel, auf dem Kopfe eine vier eckige rothsammtene mit Goldborden besetzte polnische Mütze und als Waffe ein kurzes römisches Schwert:“ (Wie armselig nehmen sich dagegen doch die Nato-Soldaten aus ! Aber auch fühlt man sich erinnert an die Pracht der Uniformen eines Reichsmarschalls, der sich 1946 das Leben nahm.) Trotz dieses Aufzuges soll er in der Schlacht als Reiteranführer eine gute Figur gemacht haben.
Die Thielmann-Sachsen rückten in die Schlachtlinie ein mit 850 Pferden, auf die die ursprüngliche Streitmacht von rund 1.200 Pferden bereits zusammengeschmolzen war. Die französische Armee begann die Schlacht mit rd. 130.000-150.000 Mann, die Brigade Thielmann stellte davon 850 Mann. Die Verluste dieser Truppe sollten sich am Abend des verhängnisvollen Tages, dem 7.9., auf 35 Offiziere und 433 Mann belaufen!
Die russische Armee unter General Kutusow stand mit etwa 130.000 Mann in hügeligem Gelände gefechtsbereit in einem großen Bogen, dessen Mittelpunkt das Dorf Semenowskoje mit der vorgelagerten Bagration- und der mit Kanonen gespickten RAJEWSKI-Schanze und das Dorf Borodino waren. Nach dem Fall der Bagration-Schanze bekam die Brigade Thielman die Anweisung, vom Semenofska-Bach aus die Anhöhe, auf der das Dorf Semenowskoje lag, zu erstürmen und die russische Infanterie dort zu vertreiben. Was im wesentlichen auch trotz der Ungunst des Geländes gelang – doch plötzlich tauchten russische Dragoner auf, die eine neuerliche Attacke erforderlich machten. Die gelang so gut, dass einige 50 Retter, darunter auch Minckwitz, in jugendlichem Überschwang und Tatendrang weitersprengten und weder bemerkten, dass in der linken Flanke starke russische Kavallerie-Verbände erschienen, noch dass ihre Regimenter nicht gefolgt waren, so dass sie sich völlig überraschend allein fanden, umringt von Dragonern, Kosaken und Baschkiren. Jetzt galt es für die Lieutenants Minckwitz und Meerheimb, die zusammengeblieben waren, mit Frechheit und Mut, List und natürlich auch Glück durch die feindlichen Linien zu schlüpfen. Und schließlich auch nicht von den eigenen Leuten für die so ähnlich aussehenden Russen gehalten und vielleicht noch kurz vor dem Ziel vom Pferd geschossen zu werden.
Minckwitz kam mit Glück und nach vielen Mühen zu seiner Brigade zurück, jedoch ohne Hut. Den hatte ihm im Getümmel respektlos ein Feind vom Kopf gehauen; und sein Pferd wurde im letzten Augenblick noch ein Opfer dieses tollkühnen Rittes.
Inzwischen hatte sich die Brigade Thielmann von dem Dorf Semenowskoje her merklich der Rajewski-Schanze genähert, die beherrschend auf einer Anhöhe lag. Nach einer Linksschwenkung gelang es zunächst dem Garde du Corps am rechten Flügel, geführt von dem Premier-Lieutenant v. Minckwitz an der Spitze, über die zerschossene Brustwehr in die Schanze einzudringen und sich zu behaupten. Dann überschlugen sich die Ereignisse – ein wütender Kampf zwischen Sachsen und russischer Reiterei und Infanterie, der hohe Verluste forderte, tobte hin und her. Letztlich aber blieb die Schanze dank des Einsatzes der Sachsen und des Brigade-Adjutanten v. Minckwitz in französischem Besitz. Chronisten vermerkten dazu: Welch ein Einsatz für einen fremden Usurpator! Noch war die Schlacht nicht entschieden; zahlreiche weitere, blutige Gefechte folgten, bis endlich der Weg nach Moskau frei war.
Johannes v. Minckwitz avancierte nach der Schlacht wegen seiner Verdienste um die Eroberung der wichtigen Rajewski-Schanze zum Rittmeister und erhielt den St. Heinrichs-Orden.
Mit dem von den Russen gelegten Brand von Moskau begann die fürchterliche Katastrophe, die mit dem Untergang der Grande Armee an der Beresina endete. Von den 850 Mann der Brigade Thielmann fanden sich noch 72 Mann in ihrer sächsischen Heimat wieder.
Günter H. Wiege, Wiesbaden, Januar 1996
Quellen:
- August v. Minckwitz: Die Brigade Thielmann in dem Feldzuge von 1812 in Russland. Dresden 1879 mit weiteren Quellenangaben.
- Hermann Vogt u. Richard Knötel, Hg.: Geschichte der deutschen Reiterei in Einzelbildern. Das sächsische Armee-Corps im Jahr 1812. Krefeld 1969
- Max Braubach, Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongress. In der Reihe Gebhard, Handbuch der deutschen Geschichte Bd. 14. München 1980
- Handschriftliche Aufzeichnungen des Geh.Rates Friedr. August v. Minckwitz