Schmankerl15

Schmankerl 15

Wie die Herren Hans III und Georg v. Minckwitz im Jahre 1517 nach Jerusalem pilgerten und als Ritter wiederkamen

In diesem Jahr 1517 unternahm der nachmalige Ritter Gerhard von Hirschfeld eine Pilgerfahrt nach Jerusalem, der sich die beiden Brüder anschlossen und von der er einen Bericht hinterlassen hat. (Zur Person des Gerhard von Hirschfeld: Er wurde 1490 in Otterwisch bei Grimma geboren, seine Mutter war eine geborene von Einsiedel. Er stand in Diensten des Kurfürsten Friedrich des Weisen, wurde Rat der Kurfürsten Johann und Johann Friedrich von Sachsen und war zeitweilig Amtmann zu Schlieben. In der Schlacht bei Mühlberg 1526 wurde er von den Kaiserlichen gefangen genommen. Später machte ihn der Kurfürst Moritz von Sachsen zu einem seiner Räte. Hirschfeld starb in Dresden 1551.)

An dem Reiseabenteuer nahmen neben den beiden Minckwitz „vff der Herrschaft Sonnewald“ und ihrem Knecht sowie dem Hirschfeld u.a. noch teil:

Graf Heinrich von Schwarzburg+Christoph von Martenberg mit Diener+Wilhelm von Messeritzsch mit Diener+Jon suff von Falckenstein mit Diener+Jacob Pomphj, ein Ungarischer mit seinem Diener +die Herren·Hans, Rudolff und Jorge von der Pla(u)nitz+Michael von Senßheim, Thumher zu Wurtzburgk+Doctor Martin von der Marthen mit Knecht, Thumherr zu Sankt Severin zu Erffurdt +Frobin von Hutten, Mentzischer Marschalk·und Ludwig von Hutten mit Knecht +Ditrich von Meckau +Heinrich von Bühnaw zu Teuchern +Herr Johan Horstadt, Vicarius zu Wurtzburgk +Herr Bernhardt graffe, Vicarius zu Naumburgk +Eberhart von Hessenstein, Hofmeister des Landgrafen von Hessen +Cuntz von Wolffersdorff zu Bornßdorff und Köche des Schwartzburg und der Hutten, Dolmetscher des Schwartzburg und 30 weitere Personen.

Der Beginn der Reise war am 14. März 1517 und führte über Coburg, Bamberg nach Nürnberg, weiter über Augsburg, Innsbruck nach Treviso, das kurz vor Mestre bei Venedig liegt. Von Augsburg aus legte die Reisegesellschaft 58 Meilen, das sind etwa 435 km, in 11 Tagen zurück – alles hoch zu Ross und mit dem dazu gehörigen Tross, über dessen Umfang wir leider nichts erfahren. Dann schiffte man sich ein und war nach kurzer Zeit in Venedig, wo man übernachtete in der Deutschen Herberge. Schon damals gab es touristische Highlights, die man auf der Reise ausführlich besichtigen und bestaunen musste. Interessant ist, und das zeigt vielleicht die Achtung vor den Pilgern und ihrem fernen Ziel, dass die Reisegesellschaft in allen grösseren Orten bewirtet wurde mit Wein, u.a. auch von den Fuggern in Augsburg.

Nach kurzem Aufenthalt startete die Reisegesellschaft zu einem Ausflug nach Rom und Florenz – wenn man schon so fern von der Heimat war, wollte man doch auch diese Orte sehen, von denen so viel geredet wurde. Auf dieser Reise, die per Schiff und hoch zu Ross ging, erlebten die Herren die Höhen und Tiefen eines Reiseabenteuers der damaligen Zeit: Windstille oder widrige Winde, die ein Auslaufen aus dem sicheren Hafen unmöglich machte – „erhub sich ein Ungewitter und machet grosse Wullenn, das wir grosser sorgfeltigkeit wahrenn“, denn „wir fuhren in der Porttenn aus an das Meher, da was es faste ungestumb, das wir uns darauff nicht begebenn dörfften“ und so mussten sie auf dem Fussboden schlafen in einem Kloster, weil keine Betten gab, dann kamen sie Soldaten, „den bösen Buben“, in die Quere, von denen sie sogar beschossen wurden und es gab natürlich auch Krankheiten, die sie sehr schwächten. Hirschfeld berichtet von einer Rippenfellentzündung, die zu einem ungeplanten Aufenthalt zwang. Als Entschädigung bekamen sie „hochwirdigs Heilthumbs“, das sind Reliquien udgl., sowie viele Kirchen und Klöster zu sehen, die sie nur vom Hörensagen kannten.

Wieder zurück in Venedig wurde ein umfangreicher Vertrag mit einem Schiffsführer geschlossen, der sorgfältig alle Details regelte, vor allem die Verpflegung und mögliche Abweichungen von der Fahrtroute und der erkennen liess, dass es sich um eine häufig wiederholte Reise handelte. Wir kennen die Einzelheiten schon aus den Aufzeichnungen des Hans von Mergenthal aus dem Jahr 1476, als Herzog Albrecht von Sachsen und Hans II v. Minckwitz nach Jerusalem pilgerten.

Nach etlichen Verzögerungen war es endlich soweit, dass am 17. Juni die Schiffsreise und damit das ganz grosse Abenteuer für die Landratten begann, mal mit „bösen“ mal mit günstigen Winden an der Insel Rhodos, die der Patron nicht aufsuchen durfte, vorbei zur Insel Zypern, wo der Schiffsführer Waffen entlud, und schliesslich am 16. Juli in Haifa (Jaffa) endete. Mit Verzögerung und auf Eseln ging es dann langsam nach Jerusalem. Einen Vikar hatte der Guardian von Jerusalem geschickt, aber der legte sich mit den Türken an und bekam Hiebe. Oh welcher Schreck über diese Begrüssung! Dann folgte eine Nacht voll Sorgen auf freiem Felde, weil sich die Geleits-Türken in dem Haus niedergelassen hatten, das für die deutsche und eine zweite Pilgergruppe aus Franzosen, Engländern und Flemminge (?) bestimmt war. Und es gab nur Wasser und Brot, da war es eine grosse Erlösung als am Abend des 18. Juli der Guardian von Jerusalem sie mit gutem Essen und Getränken, wie sie sie in den letzten vier Wochen doch sehr vermisst hatten, in Jerusalem willkommen hiess. Und dann machte er sie mit den notwendigen Regeln bekannt, wie: keine Waffen im Heiligen Land zu tragen oder auch nichts gegen die Türken und ihren Glauben zu sagen, weil einige auch Deutsch verstünden „auff das uns nicht ein Wiederwerttigkeit darvon entstünde“, denn „wir wären jetzt inmitten unserer Feinde“, „also das sie uns auch gern essen und mit den Zehenen zurissen, darumb zuvormutten, das uns vordrieß und Wiederwerttigkeit von ihnen begegnen werdenn“. Sie sollten sich mit dem Harnisch der Geduld wappnen und würdig werden, den grossen Ablass zu erhalten.

Dann folgten ausführliche Besichtigungen und Beispiele von Geldschneidereien, da vom Herren von Jerusalem, einem Türken, ein Sonderbetrag von 8 Ducaten je Pilger verlangt wurde. Als der Patron sich weigerte, bekam er kurzerhand mit einem grossen Knüttel eins über den Kopf. Am 22. Juli war es dann soweit: der Guardian schlug die Gebrüder Minckwitz, den Hirschfeld, den Weißenbach, Rudolf von der Planitz, den Bünau, den Taubenheim und andere Pilger zum „Ritter zum heiligen Grabe“ und Bernhard von Hirschfeld haben wir zu verdanken zu erfahren, was die Ritter für ihre neue Würde u.a. beschworen:

–alle Tage eine Messe zu hören, –mit eigener Person und Hab und Gut zu ziehen wider die Türken und andere, „die da seyn wieder das heilige Grab“, –zu beschirmen die Christlichen Kirchen, –alle ungerechten Kriege und „unordentlichenn Soldt“ zu vermeiden, –den gemeinen Nutzen zu mehren und die Witwen und die Elenden und die Gerechtigkeit zu beschirmen. Dann gab es noch einen in Latein geschriebenen Ritterbrief, der uns allerdings nur für Bernhard v. Hirschfeld vorliegt.

Nun schlossen sich Besichtigungen an, bei denen fein säuberlich vermerkt wurde die unterschiedliche Wirkungsdauer des Ablasses oder der Sündenvergebung. Auch zeigte man den staunenden Fremden das Loch in der Mauer, in dem der Hahn gesessen und dreimal gekräht hat als Petrus den Herrn verleugnet hat. Den Jordan konnten sie nicht erreichen, weil hier die Araber sassen und Gegner der Türken waren, aber ihre „hemden und Leinwadt“ konnten sie im Fluss „eintuncken“ lassen. Die allgemeine Unsicherheit und die Furcht waren doch gross, so dass die beiden Schiffsführer beschlossen, am kommenden Tag zurückzureiten nach Jaffa. Denn ihnen war mancher lei Ungemach zu Ohren gekommen, so dass auch die Mönche des Klosters in Bethanien, in dem sie sich aufhielten, rieten, nicht länger in Jerusalem zu bleiben, da die Türken vermuteten, dass sich „grosse herren“ untern ihnen befänden, denn sie hätten ja Gold und Geld bei sich. Gegen den Eid, dass dem nicht so sei, durften sie ziehen gegen Zahlung von 100 Dukaten und roten Karmesinsamt für Gewänder. Nach weiteren Schikanen, auch vom Patron, und Abzockereien legten sie am 1.Aug. mit ihrem Schiff endlich ab und fuhren bis Zypern, wo die Gebrüder Minckwitz und andere als krank gemeldet werden.

Am 26. August hatte der Patron Korn, Salz und Baumwolle geladen, so dass die Reise weiter – gehen konnte, diesmal bis Rhodos, wo sich die Reisegesellschaft teilte. Die Gebrüder Minckwitz und andere fuhren nach Venedig, der Rest um Hirschfeld nach Apulien, wo sie schliesslich nach einer fürchterlichen Fahrt „mit viel grausam Wetter mit grossen Plitzen und regen“, sodass „es wardt ein gros Inferno“ in Gallipoli landeten; sie „danckten Gott, das ehr uns so gnediglich aus der fahre des Mehres geholffen hatte.“ Auf dem Landweg ging dann für diesen Teil der Pilger über Neapel und Rom weiter, so dass Hirschfeld schliesslich am 16. Februar 1518 wieder zuhause ankam.

Interessant ist ein Vergleich der Berichte von 1476 und 1517 und der Einstellung der Türken zu den Pilgern. Die vierzig Jahre Erfahrung haben nicht zu einer Annäherung der Kulturen geführt.

Günter H. Wiege, Wiesbaden, März 2003

Quellen:

  • Ausgegraben von Fr. Aug. v. Minckwitz (F XII01) 1856 und wiedererweckt von Günter H. Wiege, März 2003